Von der späteren Klägerin wurde eine Gynäkologin in der Zeit von 2005 bis 2011 regelmäßig zur Durchführung von Kontrollen aufgesucht. Dabei wurden Krebsabstriche vorgenommen, wobei die Patientin nie informiert wurde, welcher Pathologe diese Abstriche begutachtete.

Mag. Dr. Christoph MIZELLIIm Jahr 2011 wurde der Patientin von ihrer Gynäkologin mitgeteilt, dass der letzte Abstrich sehr kritisch sei und wurde dann ein weit fortgeschrittener Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert. Es stellte sich heraus, dass bereits in den Abstrichen aus den Jahren 2005 bis 2007 eine beginnende Krebserkrankung erkennbar war, wobei dies vom Pathologen übersehen wurde. Wären zu diesem Zeitpunkt Eingriffe vorgenommen worden, hätte man das Entstehen von Krebs durch geringfügigere medizinische Maßnahmen verhindern können. Durch diese fehlerhafte Diagnose traten bei der Patientin dauerhafte körperliche und seelische Beeinträchtigungen auf. Diese brachte eine Klage gegen die Gynäkologin ein, wobei sie ein Schmerzengeld forderte. In zwei Instanzen wurde das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, dass ein Facharzt grundsätzlich nur im Rahmen seines Fachgebietes tätig werde und hafte er nicht für die unrichtige Begutachtung durch einen Pathologen.

Der Oberste Gerichtshof war gänzlich anderer Rechtsansicht und sprach der Klägerin ein Schmerzengeld in Höhe von € 35.000,00 zu. Das Urteil wurde damit begründet, dass eine Patientin, welche zu regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen eine Gynäkologin aufsucht, annehmen darf, dass diese die Verantwortung für alle Teilleistungen übernimmt, welche erforderlich sind, damit die von ihr erwartete Diagnose über ein allfälliges Krebsrisiko getroffen werden kann. Weist die Ärztin nicht daraufhin, dass ein weiterer Vertrag mit einem anderen Facharzt abgeschlossen werden muss, übernimmt sie damit auch die Begutachtung des Abstrichs in ihre Leistungspflicht. Sie haftet demnach auch für den von ihr beauftragten Pathologen, obwohl ihr selbst kein Behandlungsfehler anzulasten ist. Diese Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für alle medizinischen Fachgebiete.

Mag. Dr. Christoph MIZELLI
Rechtsanwalt und Strafverteidiger